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On Golshiri's Works
Here are some extracts of or complete reviews and critical articles and essays on H.Golshiri's works, together with a list of them in different newspaper and journals.
Exorzismus durch die Feder: Erzaehlungen des Iraners Huschang Golschiri
Das zerbrochenes Kaleidoskop
List

Exorzismus durch die Feder: Erzaehlungen des Iraners Huschang Golschiri
Es gibt eine Art von orientalischer Literatur, die man nur als orientalisch verkaufen kann; um sie zu schaetzen, braucht man ein gewisses Spezialinteresse oder zumindest einigen Bildungseifer. Dann aber kennt der moderne wie der klassische Orient Werke, bei denen die Frage, woher sie stammen, schon nach den ersten Saetzen in den Hintergrund rueckt; die vor allem gute Literatur sind und genau so und nicht anders gelesen werden wollen. Zu diesen Werken gehoert die Prosa des 1937 geborenen iranischen Schriftstellers Huschang Golschiri.
Wollte man eine Anthologie der mustergueltigsten Kurzgeschichten zusammenstellen, Golschiri duerfte darin nicht fehlen. Er ist ein Meister des Genres, und dies, trotz seinem extrem ausgefeilten persischen Stil, sogar in Uebersetzung; ein Autor, der sich, so scheint es zumindest auf den ersten Blick, mehr fuer die Technik des Erzaehlens als fuer das Erzaehlte selbst interessiert; oder der, und dies liefe auf dasselbe hinaus, den Eindruck vermittelt, man koenne alles erzaehlen, wenn nur der point of view stimmt. Fuer diesen point of view hat Golschiri einen absoluten erzaehlerischen Sinn.

Der Kurzroman «Prinz Ehtedschab», mit dem Golschiri 1969 schlagartig beruehmt wurde und der nun als umfangreichster Text diese erste deutsche Golschiri-Auswahl eroeffnet, ist fuer die Gewandtheit des Autors beispielhaft. Zwar hat der Roman die dekadente und ueberaus gewalttaetige Geschichte der entmachteten Nachkommen der iranischen Qadjarendynastie zum Hintergrund, die Iran von 1796 bis 1925 beherrschte und den Ausverkauf des Landes an die westlichen Grossmaechte einleitete. Doch treten die historischen Gegebenheiten, die rueckblickend in verschiedenen Szenen aufblitzen, vor dem virtuosen Spiel mit der Erzaehlperspektive zurueck. Kaum glaubt man, Ueberblick ueber die Figurenkonstellation gewonnen zu haben, werden die Identitaeten der Personen wieder verwischt und die verschiedenen Zeitebenen durcheinandergewirbelt. Nicht umsonst ist der Autor daher mit Faulkner und Robbe-Grillet verglichen worden.

Schachzug
Einzigartig und zugleich am unmittelbarsten zugaenglich ist Golschiri in seinen Kurzgeschichten, «Meine Porzellanpuppe» schildert die Verhaftung eines Familienvaters durch den Geheimdienst. Ein Ereignis, das in seiner im intimsten Bereich angesiedelten Tragik kaum ohne Ruehrseligkeit darstellbar scheint, schon gar nicht aus der Sicht eines Kindes. Golschiri aber gelingt genau dies, indem er zu einem ebenso genialen wie verblueffenden Schachzug greift: Die kleine Tochter des Verhafteten spielt die einzelnen Szenen mit ihrer Puppe nach und thematisiert im Spiel mit den rasch wechselnden Rollen der Puppe gleichsam nebenbei die Schwierigkeiten der Darstellung dieses Geschehens. Die ungeheure Kraft des 1973 veroeffentlichten Textes, der sich konkreter politischer Anspielungen enthaelt, erkannten denn auch die Haescher des Schahs. Golschiri wurde zu sechs Monaten Gefaengnis verurteilt.

Doch wartet diese Sammlung von Werken Golschiris aus den Jahren 1968-1994 mit noch anderen Ueberraschungen auf. Die Titelgeschichte, «Der Mann mit der roten Krawatte» (1968), ist eine der amuesantesten und zugleich hintergruendigsten Satiren auf das Spitzelwesen und hebt sich ungemein wohltuend ab von der Wehleidigkeit, die man bei diesem Thema von manchen deutschen Autoren gewohnt ist. Zudem spricht es fuer Golschiris literarisches Niveau, dass seine Erzaehlungen nicht allein durch technische Meisterschaft oder brisante Themen auffallen; ihr besonderes Kennzeichen sind vielmehr unheimliche Atmosphaeren und die unaufloesliche lrrationalitaet, die ueber der Vorstellungswelt und den Handlungen der meisten seiner Figuren walten. Fuer Golschiri ist Literatur ein Mittel zur Erkenntnis untergruendiger Triebkraefte wie Aberglaube, Gewalt und Sexualitaet. «Exorzismus durch die Feder» soll Golschiri sein Schreiben demgemaess einmal genannt haben.

Dieses Programm laesst sich an der Erzaehlung «Die vierzehn Heiligen - I» unmittelbar veranschaulichen. Eine nach einem Heiligen benannte Vogelscheuche wird durch das Aufkleben eines Schnurrbarts «geschaendet» - so zumindest empfinden es viele Dorfbewohner, die sich nun allerhand Geruechte ueber den Spuk und die naechtlichen Racheakte dec Scheuche erzaehlen. Ploetzlich stirbt der scheinbar unbeeindruckte Urheber des Scherzes an einer Selbstverstuemmelung, und auch der sich zunaechst aufgeklaert gebende Erzaehler hoert schliesslich die naechtlichen Schritte der Vogelscheuche - oder vielleicht doch nur, wie ihm schwant, den eigenen Herzschlag, dem man freilich noch weniger entkommen kann als einem Rachegeist?

Magischer Realismus
Aehnlich enigmatisch und ungeheuerlich ist die Erzaehlung «Der Wolf», in der eine junge, verheiratete, aber kinderlos gebliebene Frau der Faszination durch die im Winter hungrig um das Dorf schleichenden Woelfe erliegt und eines Tages in einem Schneesturm zu den Tieren verschwindet. Die Geschichte beeindruckt durch eine totale Reduktion der erzaehlerischen Mittel. Es wird ueberhaupt nichts erklaert oder kommentiert, es spricht lediglich ein neutral das Geschehen berichtender, verstaendnisloser und anonym bleibender Wir-Erzaehler. Auch die Motive der jungen Frau lassen sich eher erraten als erschliessen; aber die Anziehungskraft des Wilden, Gierigen und Ungebundenen, das die Woelfe verkoerpern, tritt durch die Kargheit des Erzaehlens um so deutlicher hervor. In derartigen Geschichten entwickelt Golschiri einen magischen Rea1ismus ganz eigener, naemlich iranischer Art, der sich aus dem nach wie vor lebendigen schiitischen Volksglauben naehrt.

So reiht sich nun endlich auch Golschiri unter die bedeutenden persischen Autoren der Gegenwart ein, die auf deutsch erhaeltlich sind. Zudem ist Golschiri bei Anneliese Ghahraman-Beck in die Obhut einer erfahrenen Uebersetzerin und mit der «Neuen orientalischen Bibliothek» im Verlag C. H. Beck an eine ausserordentlich schoen gestaltete Buchreihe geraten. Wenn jetzt die Leser, wie zu hoffen steht, zahlreich sein werden, geht vielleicht auch der einzige nach der Lektuere dieses Bandes verbleibende Wunsch in Erfuellung: demnaechst mehr von Golschiri in deutscher Sprache lesen zu koennen.



Stefan Weidner, Neue Zuercher Zeitung, 6.10.1998

Das zerbrochenes Kaleidoskop
Huschang Golschiri „Prinz Ehtedschab“ in Neuausgabe
Bei der Lektuere von Huschang Golschiris Kurzroman Prinz Ehtedschab, der ihn 1969 schlagartig international bekannt machte, stellt sich bereits vorab eine grundlegende Frage. Wie kann man ihn in Deutschland lesen und verstehen? Nicht nur auf der rein sprachlichen Ebene stellt sich die Uebersetzung ins Deutsche als Problem dar, schliesslich galt Golschiri als einer der grossen Stilisten, der souveraen die klassische Hochsprache spielerisch mit der Volkssprache verknuepfte. Und die ungeheure Musikalitaet des Farsi, des Persischen, laesst sich in der Uebersetzung sowieso kaum wiedergeben.

Prinz Ehtedschab stellt einen ziemlich dekadenten Nachfahren der 1925 von den Pahlawis entmachteten Qadjarendynastie dar. Dieser scheinbar historisierende Rueckgriff erlaubte Golschiri eine elegante Kritik am damals regierenden Schah Reza Pahlawi. Die Unbestimmtheit des Gegenstandes seiner Kritik machte ihn aber auch schnell den neuen Machthabern verdaechtig. Zum Ende der Schahzeit wurde der Roman zwar verfilmt, und nach der Revolution kam der Film auch in die Kinos. Aber schon nach einer Woche wurde er wieder aus dem Programm genommen. Das im Iran ungeheuer beliebte Buch selbst blockierte immer wieder die Erschad, die islamische Zensurbehoerde. Sieben Jabre wartete die neunte Auflage darauf, endlich freigegeben zu werden.

Aus Anlass von Golschiris ueberraschendem Tod im letzten Juni gab der C. H. Beck-Verlag den Roman erneut in einer Einzelausgabe heraus, ergaenzt um eine sehr persoenliche Erinnerung an Golschiris Bestattung in Teheran von Navid Kermani an. Damit entschied man richtig. Denn das Lesen auf einen versteckten Sinn zwischen den Zeilen hin wird jedem Autor zum Gefaengnis, und dies betrifft alle Autoren, die unter den Verhaeltnissen von Zensur und Diktatur schreiben muessen. Das gleiche gilt fuer den Sinn eines Werkes, wenn dieser anscheinend ebenfalls nur allein auf geheimem Weg den Leser zu erreichen vermag. Befreiung daraus gibt es fuer diese Autoren erst dann, wenn man ihre Buecher als das liest, was sie sind, und das heisst im Fall von Prinz Ehtedschab als ein Meisterwerk der literarischen Moderne vom Range eines Gombrowicz, Borges, Landolfi oder Nabokov, um einige seiner westlichen Geistesverwandten aufzuzaehlen.

Prinz Ehtedschab lebt ganz in der Erinnerung und daemmert fantasierend dahin, in freiwilliger Einkehrung in den abgedunkelten Raeumen eines verfallenen Palastes. Der Garten ist verwildert, die Moebel, wenn nicht bereits verkauft, staubbedeckt, und aus den Familienbildern steigen die Gestalten der Vergangenheit. Wie in einem Kaleidoskop verschieben sich Optik und Perspektiven in einem fort, aber es ist ein altes, zerbrochenes Kaleidoskop, in dem die Spiegel stumpf geworden sind. Ebenso schieben sich die Generationen der Ahnen, ja selbst die Namen und die Buchstaben ineinander. Aus Fachri wird Fachronessa und umgekehrt. Und so verwirrt man ueber den Inhalt gelegentlich auch ist und daher immer wieder zurueckblaettert, bei genauer Lektuere findet man doch alles eindeutig beschrieben und man wundert sich nur, warum man den klaerenden Satz ueberlas. Aber dies gehoert zu Golschiris Erzaehlstrategie. Als Leser findet man nirgendwo einen festen Halt.

Fachronessa, die Ehefrau, existiert nur noch in der Erinnerung und Fachri, ihre Dienerin und zugleich die Geliebte des Prinzen, spielt nun durch ihn dazu gezwungen deren Rolle. Die Dienerin als Geliebte - dies blieb uebrig von der einstigen feudalen Macht seiner Ahnen, die einen Harem von hunderten von Frauen beherrschten und ueber Leben und Tod ihrer Untergebenen selbstherrlich verfuegten. Prinz Ehtedschab ertraegt dagegen nicht den Anblick von Blut, ist impotent und verspielte das uebriggebliebene Vermoegen.

Die kluge und schoene Fachronessa kommentiert zynisch die sinnlosen Grausamkeiten seiner Ahnen: ,,Ein oder zwei Spritzer Blut vielleicht sind genug, um den Stuhlgang anzuregen.“ Sie leidet an Tuberkulose, einer Krankheit, von der alle in der Familie betroffen sind. Der blutige Auswurf steht auch als Symbol fuer das einstmals vergossene Blut. Noch am Totenbett seiner Frau entkleidet er Fachri und verlangt von ihr, die ihr viel zu engen Kleider Fachronessas zu tragen, sich ebenso zu frisieren und zu schminken. Sie muss von nun an fuer ihn beides sein: Fachri und Fachronessa, Dienerin und Herrin. Immer mehr verschwimmen in ihr beide Gestalten. Sie verliert ihre Erzaehlerstimme, ihre eigene Geschichte, die der Dienerin.

Prinz Ehtedschab verbrennt alle Buecher der Bibliothek, die Familienchroniken, aus denen ihm Fachronessa einst immer wieder vorlas. Es gelingt ihm jedoch damit nicht, die Geschichten seiner Ahnen zu verbannen. In anderer Gestalt kehren sie wieder zu ihm zurueck, so in der des ehemaligen Kutschers Morad. Fuer ein Almosen erzaehlt er gelegentlich dem Prinzen, wer in der Zwischenzeit gestorben sei, von alten Geschichten und Morden, und am Ende schliesslich von dem Tod des tuberkuloesen Prinzen Ehtedschab. Eine „unzeitige Morgendaemmerung“ erhellt das Zimmer, die Haehne kraehen, und waehrend der gelaehmte Kutscher von seiner Frau die Treppe hinuntergebracht wird, fallen alle Perspektiven in sich zusammen, der Prinz, der Kutscher, man kann am Ende nicht sagen, wem der letzte Gedanke gehoert, wer tatsaechlich die Treppe hinabsteigt.

(extract) Tomas Fitzel, Frankfurter Rundschau, 20. Dezember 2001

List
- "Heimsuchung durch die Daemonen“, Stefan Weidner, Koelner Stadt-Anzeiger, Nr. 300, 1998
- "Schonungslose Kritik in kunstvoll literarischem Gewand“ and „In einem Klima der Angst“, Fridolin Fruger, Neue Luzerner Zeitung, 23. Januar 1999
- "Eine Entdeckung“, Wolfgang Platzeck, WAZ, 21.04.1999
- "Literatour, Getrieben und gejagt: Golschiri“, Andreas Burkhardt, Berlin Magazin, 14/1999
- Literatur Nachrichten, Nr. 64, Januar/Maerz 2000
- Literatur Nachrichten, Nr. 66, Juli-Sept. 2000
- "Hustend zugrunde“, Die Weltwoche, 15. Maerz 2001
- "Delirien eines Prinzen“, Sabine Kebir, Zerbrochener Spiegel, 23. Maerz 2001
- "Wehe, wenn die Hydra fiebert“, Peter Schuett, Die Literarische Welt, 24.3.2001
- "Der Untergang eines unbelehrbaren Feudalherren“, Fridolin Furger, Der kleine Bund, 21. April 2001
- "Virtuoser Erzaehler aus dem Iran“, Fridolin Furger, Neue Luzerner Zeitung, Nr. 119, 23. Mai 2001
- Kunstvolles Gewebe aus Erzaehlung und Reflexion ueber die Macht“, Dresdner Neueste Nachrichten, 25. Mai 2001
- "Das Ende einer Dynastie“, Fridolin Furger, Der Landbote, 26.5.2001
- Das Defilee der Toten, Huschang Golschiris „Prinz Ehtedschab“, Neue Zuercher Zeitung, 23.6.2001
- Huschang Golschiri, Prinz Ehtedschab, Zeitschrift fuer Kultur Austausch, 51. jg./3/2001
-"Wie in einem zerbrochenen Kaleidoskop“, Die Geschichte der Dienerin: „Prinz Ehtedschab“, der fruehe Roman von Huschang Golschiri, Stuttgarter Zeitung, 21.8.2001

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